Ich gehe diese Straße lang

Knapp neun Monate nach dem letzten Mutter-Album Ich könnte du sein aber du niemals ich legt Frontmann Max Müller sein zweites Soloalbum Was weiß ich vor. Es ist ein Triumph.

Über 32 Stücke entfaltet Was weiß ich in oft nur knapp angerissenen, fragmentarisch anmutenden Kompositionen das ganze klangliche Universum der letzten Jahre von Mutter. Der lediglich 1:15 Minuten andauernde Opener etwa berückt mit charmierenden Bläsern, die, wohlgemerkt rein instrumental, immer wieder auftauchen werden – dann haben wir aber auch die klang- wie inhaltlich gebrochenen Alltagsbeobachtungen, durch schräge Gitarren und Stimmverzerrungen mehrstufig verfremdet, seligen Schrammelrock sowie Elektro-Etüden („Wohin“, „In der Disco“), die so billig produziert sind, dass es Nostalgien an historische Techno-Zeiten weckt. Intertextuell interessant sind die Querverweise wie etwa „Seesinge“, das als „Glorie“ bereits auf dem Mutter-Album Der Traum vom Anderssein erschienen ist, nun aber etwas sauberer und ja, auch das: akustisch besser verstehbar geworden ist; und dann „Loverbär“, eine Art Alternate Take von „So fühlt sich Freiheit an“ aus Ich könnte du sein aber du niemals ich. Freilich fügt es sich auf Was weiß ich so gut in den disparaten Stilmix ein, dass der Verdacht der Resteverwertung ungebührlich erscheinen muss. Mehr noch: Wo Ich könnte du sein aber du niemals ich dem eingefleischten Mutter-Fan vielleicht zu kurz, zu nah an der Oberfläche gekratzt erschienen haben möge, geht es hier wieder tief hinein in den kreativen Nerv Max Müllers: All die Straßenmusiker, Tanzbären, einsamen Frauen und liebeskranken Ich-Erzähler formen einen Erzählbogen der Entzückung – man ist versucht zu rufen: Der Erzählband des Jahres ist eine MC!

Ich gehe diese Straße lang/Ich gehe sie schon mein ganzes Leben/
Ich gehe sie meist allein/Und manchmal mit dir/Und manchmal mit dir

(„Schiffe)

Max Müller: Was weiß ich. CD, MC, Download, 72 Minuten, erschienen bei Fidel Bastro, ca. 12,50 €

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