Das fängt ja gut an – eine Steilvorlage für 2006

Heute im „Streiflicht“ der Süddeutschen Zeitung:

„Das Romanschreiben“, so der Brückenschlag, sei „mit dem Fußballspielen enger verwandt, als man glaubt. Vieles hängt vom Anstoß ab, literarisch gesagt vom ersten Satz“, aber „(…) noch wichtiger ist der Schluß. Goethes ‚Werther‘ endete mit den drei Sätzen: ‚Man fürchtete für Lottes Leben. Handwerker trugen ihn. Kein Geistlicher hat ihn begleitet.‘ Wer da nicht die drei Tore eines Elfmeterschießens heraushört, dem ist, wie man in Dichterkreisen sagt, nicht zu helfen.“

Dieses Konzept läßt sich, spinne ich nun tapfer den Faden weiter, mit Leichtigkeit auch auf die moderne Kunst der Tonsetzung übertragen, legten doch Julian Casablancas, Nick Valensi, Albert Hammond Jr., Nikolai Fraiture und Fab Moretti, kurz: die Strokes aus New York in der allerletzten Spielsekunde des vergangenen Jahres das langerwartete dritte Album „First Impressions of Earth“ vor. Dieser Umstand wurde in der Fachpresse (hier, hier und ja, auch hier) ja mittlerweile schon mit höchster Befleißigung durchgenudelt. Als Grundaussage kann man bei all diesen Beiträgen ein frohlockendes „juhu – Weiterentwicklung“ verzeichnen. Aber seien wir mal ehrlich: So viel, wie uns da weisgemacht werden will, hat sich musikalisch auch nicht getan. Die Songs sind immer noch kompakt und größtenteils flott eingespielt; genre-fremde Gitarren-Quälereien („Vision of Division“, „Razorblade“) bleiben auf ein erträgliches Maß beschränkt (zum Vergleich: Weezer sind mit den Gitarrenwänden von „Maladroit“ eher negativ aufgefallen); Julian Casablancas‘ Register ist um ein paar Töne erweitert, aber sein Gesang klingt immer noch so übersteuert und heiser wie gewohnt. Die betonte Langeweile-Geste ist geblieben – und da liegt auch die Crux: wie schon bei den früheren Platten der Strokes steht die Stimmung immer auf der Kippe, in echte Langeweile auf Seiten des Hörers umzukippen; man denke nur an den Opener des 2001er Debüts „Is this it“.

Aber was hätte uns noch alles blühen können! Comeback-Platten waren ja schon immer eine willkommene Gelegenheit für die Auslebung von zwanghaftem Veränderungsdrang – Rust Never Sleeps! Und nichts wird mehr verteufelt als das Credo „Never Change A Winning Team“. Doch denken wir einmal in einem kurzen Brainstorming über die seltsamen Pflänzlein nach, die solche Vorsätze mitunter sprießen läßt: Stadionrock á la Starsailor; Bedröhntes Akustik-Geklampfe (wie der Black Rebel Motorcycle Club – eine wohlgemerkt nicht schlechte, aber totale Kursänderung); elektronische Stilexperimente, womöglich unter Zuhilfenahme von Vocodern – im Rock-Geschäft gefürchtet und berüchtigt seit Neil Youngs „Trans“-Album oder – horribile dictu! – ein Live-Klangexperiment ohne jeden melodiösen Bezug, in einem Monster-Track von 73 Minuten auf die CD gezwängt. So gesehen sind sich die Strokes treu geblieben und „First Impressions on Earth“ schließt ohne große Überraschungen, aber solide an „Room on Fire“ an – Treffer in der 90. Minute.